Höhere Fachschule für Sozialpädagogik

Spiritualität in der Sozialpädagogik

Spiritualität kann eine Ressource oder ein belastender Faktor sein. In allen Berufsfeldern der Sozialen Arbeit vom Kleinkind bis zur Seniorin ist die Klientel der Sozialen Arbeit häufig mit belastenden Lebenserfahrungen wie Trauma, Flucht, Ausgrenzung, Verlust, Abhängigkeit oder Krankheit und Tod konfrontiert.

Datum
17. Dezember 2020

Spiritualität – das Salz in der Suppe des Lebens?

Die Frage was dem Leben Sinn und Kraft gibt, ist zentral und erfordert von den Professionellen Sozialer Arbeit Kompetenzen, um Spiritualität im Alltag Raum zu geben und in der sozialpädagogischen Prozessgestaltung systematisch zu berücksichtigen. Zu einem gelingenden Leben gehört auch Spiritualität, verstanden als Verbundenheit eines Menschen mit dem, was sein Leben trägt, ihn inspiriert und ihn lebendig erhält.

Das kann eine Verbundenheit mit Gott sein, mit einem Menschen, mit der Natur, mit einem Tier oder mit der Kunst: zum Beispiel beim Eintauchen in das erfrischende Wasser eines Sees, beim Anblick der Aussicht auf einem Berggipfel, beim Gebet, im vertieften Gespräch mit einem Freund, beim Tanzen oder beim Betrachten eines Gemäldes.

Diese Verbundenheit ergibt sich oft in Momenten, in denen wir eben gerade nicht fokussiert sind, sondern die Kontrolle loslassen und entspannt, im Flow, sind.

Integration von Spiritualität – ein Erfordernis des Berufskodexes

Spiritualität ist ein menschliches Bedürfnis, solche Momente der Verbundenheit gehören zum Menschsein. Trotzdem war in der Sozialen Arbeit Spiritualität bislang kaum ein Thema, sondern häufig mit Unsicherheit, Sprachlosigkeit oder sogar offener Ablehnung unter Fachleuten verbunden.

Dies, obwohl der Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz festhält, dass zur Verwirklichung des Menschseins der Klientel nebst den physischen, psychischen, sozialen und kulturellen auch spirituellen Bedürfnissen zu berücksichtigen sind.

Angesichts der multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft und des Trends weg von institutionalisierter Religion zu individueller Spiritualität – und weil das Leben der Klientel oft geprägt ist von existentiellen Grenzerfahrungen wie Zerbruch, Trauma, Flucht, Einsamkeit oder Abhängigkeit – ist es zwingend, dass die Soziale Arbeit Spiritualität in ihr Handeln integriert.

Integration von Spiritualität ist ein Muss und kein nice-to-have

Diese Integration erfordert eine Soziale Arbeit, die spiritualitätssensibel ist, die einerseits den Ressourcen von Spiritualität Aufmerksamkeit schenkt und Entwicklungsräume schafft, in denen die Klientel einen selbstbestimmten Umgang mit Spiritualität entwickeln kann, aber anderer-seits auch spirituell geprägte Einengungen im Alltag wahrnimmt und das Notwendige unternimmt, wenn sie auf Radikalisierungstendenzen aufmerksam wird. Sie orientiert sich dabei an der Spiritualität der Klientel. Dabei sind die Religionsfreiheit, das Selbstbestimmungsrecht und die spirituelle Mündigkeit der Klientel massgebend.

Gefahr des Missbrauchs

Weil Spiritualität einen besonders sensiblen Bereich der Identität bzw. den Kern des Menschen berührt, braucht es von Seiten der Fachleute eine Haltung der Wertschätzung, der Toleranz und der Neugier. Unerlässlich ist auch der Verzicht auf Beurteilungen und bevormundende Deutungen sowie der Respekt gerade auch bezüglich Spiritualität, die nicht dem eigenen Erfahrungshorizont entspricht.

Es erfordert auch eine andauernde Reflexion der eigenen Haltung: Ist der Ausgangspunkt für die Integration der Spiritualität die Spiritualität der Klientel oder doch eher meine eigene?

Entspricht es wirklich den Bedürfnissen der Klientel? Oder projiziere ich meine Wünsche, meine Vorstellungen des guten Lebens in ihn bzw. sie? Nur so kann der Gefahr der Manipulation und des spirituellen Missbrauchs vorgebeugt werden

Ein Paradigmenwechsel tut Not

Entscheidend ist der Paradigmenwechsel: es geht nicht um einen allfälligen weltanschaulichen Hintergrund der Trägerschaft oder der Professionellen, sondern um die Spiritualität der Klientel.

Es geht nicht darum, dass die Klientel die Religiosität oder den Glauben der Trägerschaft einer Institution übernehmen oder die persönlichen Glaubensvorstellungen des Sozialpädagogen teilen soll. Es geht um eine Selbstbestimmung auch im Bereich der Religion, des Glaubens, um die spirituelle Selbstbestimmung.

Integration von Spiritualität als strategischer Prozess

Die Integration von Spiritualität erfordert einen strategischen Prozess, der die gesamte Betriebskultur einer Institution betrifft. Entscheidende Voraussetzungen dazu sind u.a. die aus-drückliche Unterstützung durch die strategische und operative Leitung, und das Schaffen von Raum für Austausch und Verständigung darüber, wie man diese Integration gestalten will.

Neues Weiterbildungsangebot der HFS Zizers

Als Höhere Fachschule für Sozialpädagogik wollen wir den gesellschaftlichen Entwicklungen und den Erfordernissen des Berufskodexes nach einer Integration der spirituellen Bedürfnisse der Klientel in das professionelle Handeln Rechnung tragen. Bereits zum zweiten Mal bieten wir im April 2021 einen Weiterbildungskurs zum Thema «spiritualitätssensible Soziale Arbeit» an.

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